Peter Thümmel: Kommentar zur Ausweitung der Videoüberwachung in Köln

Die angekündigte deutliche Ausweitung der Videoüberwachung auf stark frequentierten großen Kölner Plätzen soll sich nach Angaben der Polizei und des Landesinnesministers rechtfertigen mit einer erhofften Senkung der Verbrechenszahlen.


Nun sind gem. § 12 StGB Verbrechen rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bedroht sind, also z.B. Mord, Totschlag usw. Derartige schwere  Straftaten werden sich wohl gerade nicht durch eine Videoüberwachung verhindern lassen. Sie sind entweder gut geplant und werden verdeckt durchgeführt oder Affekttaten, die ebenfalls durch eine Videoüberwachung nicht verhindert werden können.

Auffällig ist, dass die behauptete Erforderlichkeit der Videoüberwachung nicht mehr begründet wird mit einer sicherlich leider immer noch vorhandenen Gefahr von terroristischen Angriffen. Selbstmordattentäter suchen geradezu die Öffentlichkeit und wollen ja, dass ihre Tat z.B. durch Kameras dokumentiert und verbreitet wird. Es könnte also eher ein Anreiz für derartige Täter sein, terroristische Straftaten zu begehen. Tatsächlich soll wohl die Videoüberwachung die Begehung von strafrechtlichen Vergehen, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe bedroht sind verhindern, darunter fallen z.B. Beleidigungen, Taschendiebstähle und sogar die meisten Drogendelikte.

Nun ist uns zu Recht seitens des Innenministeriums und der Polizei in den letzten Tagen stolz berichtet worden, dass nicht nur die Verbrechens- und Vergehenszahlen grundsätzlich zurückgehen, sondern auch die Aufklärungsquote steigt. Dies ist natürlich zu begrüßen, hängt aber mit einer, zumal erst geplanten, Erweiterung der Videoüberwachung sicherlich nicht zusammen. Warum wartet man nicht erst einmal die weitere, hoffentlich positive Entwicklung insoweit ab, bevor man hingeht und mit derartigen Überwachungsmaßnahmen das  grundgesetzlich garantierte Persönlichkeitsrecht als Teil der menschlichen Würde der Vielzahl der unbescholtenen Bürger anlasslos beschränkt?

Das dumpfe Gefühl einer Dauerüberwachung, deren Ergebnis auch noch, anders als das unsägliche Vorratsdatenspeicherungsgesetz für die dort vorgesehene 14tägige Speicherfrist, deutlich ausgeweitet ist, trägt zu einer inakzeptablen Atmosphäre des "Big Brother-Syndroms" unnötig bei. Natürlich ermöglicht die technische Entwicklung weitere Überwachungsmaßnahmen, z.B. die bereits im Probelauf in Berlin evaluierte  Gesichtserkennungssoftware, die der damalige Innenminister de Maiziere schon vorauslaufend lobte. Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten zu erkennen, dass eine Erweiterung der Videoüberwachung und automatische Gesichtserkennung mit den bereits eingesetzten hochauflösenden Kameras der nächste Schritt hin zu einer Totalüberwachung von uns Bürgern die Folge sein wird. Die sinnvolle Alternative ist vielmehr Polizistinnen und Polizisten auf Plätze und Straßen zu schicken. Dies entspricht dem Sicherungsbedürfnis der Bevölkerung viel eher, dadurch wird ein wünschenswerter persönlicher Austausch zwischen den Bürgern und der Polizei gefördert und werden am besten zukünftige Straftaten verhindert.

Natürlich befinden wir uns noch nicht in einem undemokratischen Überwachungsstaat, siehe China, aber Schritt für Schritt nähern wir uns dem schon.

Dr. Peter Thümmel

Vorsitzender der Initiative gegen Totalüberwachung e.V.